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von Albert Glossner, 08. April 2024
Stell dir vor, du gehst in einem Park spazieren. Du siehst in einiger Entfernung einen Passanten, dessen Einkaufstüte gerissen ist. Milch, Äpfel und Orangen verteilen sich auf dem Weg. Gehst du hin, um zu helfen? Wenn du dich schon eine Zeitlang im Park aufgehalten hast, wird die Wahrscheinlichkeit, dass du helfen wirst, größer sein, als wenn du den Park gerade erst betreten hast. Warum? Natur fördert Hilfsbereitschaft.
Seit mehr als 40 Jahren gibt es Forschungen zur Wirkung von Natur auf Psyche. Im Vordergrund stand zunächst die restaurative Wirkung von Natur: In den 80er und 90er Jahren stand zunächst die erholende und genesende Wirkung von Natur im Vordergrund der Forschung.
Patienten in Zimmern mit Blick auf Natur benötigen weniger Schmerzmittel als Patienten in Zimmern mit Blick auf Hauswand. Gleichzeitig haben Patienten in Zimmern mit Blick auf Natur im Schnitt einen kürzeren Krankenhausaufenthalt als Patienten in Zimmern mit Blick auf Hauswand (Ulrich 1984)
Die stressreduzierende Wirkung von Natur ist in vielen Studien belegt. Allein der Anblick von Wald senkt den Cortisolspiegel, gleiches gilt für Adrenalin und Noradrenalin. Nach einem Spaziergang im Wald ist die Konzentration des Stresshormons Cortisol im Speichel der Probanden niedriger als bei einem Gang durch die Stadt (Park 2007). Zum Stressabbau ist ein Aufenthalt in der Natur besonders geeignet, nicht nur im Wald, sondern auch in Landschaften mit stehenden oder leicht fließenden Gewässern. Besonders sticht dabei ein Landschaftstyp hervor, der „Savannenlandschaft“ genannt wird: Lichtungen und Wiesen, auf denen verstreut Bäume und Büsche wachsen (Falk 2009).
Im Zusammenhang damit steht auch der Effekt der „sanften Faszination“ (Kaplan 2010), der belegen konnte, dass Aufenthalte in der Natur zu einer besonders schnellen Wiederherstellung gerichteter Aufmerksamkeitsenergie führen. Diesen positiven Effekt konnte er bei verschiedenen Zielgruppen (Krebspatienten, Kinder mit ADHS) belegen.
Neben den psychischen Effekten (Schmerz, Stress, Aufmerksamkeit) standen auch körperliche Effekte im Mittelpunkt der Forschung.
Vergleicht man Menschen, die einen Spaziergang in städtischer Umgebung unternehmen mit denen, die in natürlicher Umgebung laufen, so sind die positiven Effekte des Laufens auf das Herz-Kreislaufsystem sind in natürlicher Umgebung stärker als in städtischer Umgebung (Park 2009)
Bereits 1982 führte die japanische Regierung „Shinrin-yoku“ ein, was als Waldbaden übersetzt wird. Gedacht ist dies als eine Form der Therapie für Stadtbewohner. Wie der Name sagt, beinhaltet die Waldbaden ein Eintauchen in Waldgebiete in Verbindung mit Achtsamkeit und Fokus auf die Sinneswahrnehmungen. Dies wird durch achtsames, langsames Gehen, durch Ruhen, Meditieren und Naturbetrachtung unterstützt. Die positiven Effekte des Waldbadens sind sehr gut erforscht. Es werden positive Auswirkungen auf Blutdruck, Herzfrequenz und Immunsystem beobachtet. Waldbaden wirkt reduzierend auf Stress, Angst und Depression und steigert das Wohlbefinden (Siah 2023).
Forschungen aus der Biologie belegen, dass Pflanzen über Duftstoffe (Terpene) miteinander kommunizieren können. So senden Pflanzen bei Schädlingsbefall bestimmte Duftstoffe (Terpene) aus, mit denen sie andere Pflanzen warnen und auch natürliche Feinde der Schädlinge anlocken. Bislang haben Forscher etwa 2000 Duftstoffe in 900 Pflanzenfamilien identifiziert. (Arvey 2016)
Bemerkenswert finde ich, dass es zumindest korrelative Zusammenhänge gibt zwischen Biodiversität der Lebensumgebung und größerer immunologischer Toleranz (Cosco 2014).
Eine solide und stetig wachsende Anzahl empirischer Studien belegen, dass Kontakt mit der Natur zahlreiche positive Effekte auf Menschen hat: Wohlbefinden, Zufriedenheit mit dem Leben, positive Stimmung, Sinnerleben und Vitalität steigen während des Aufenthalts in der Natur. Unabhängig von Wetter, Tageszeit, Art der Aktivität, allein oder mit anderen, oder Art der Lokation sind Menschen in der Natur grundsätzlich glücklicher als in einer von Menschen geschaffenen Umgebung.
Ein weiterer japanischer Forscher, Bum-Jin Park (2011) konnte in verschiedenen Studien belegen, dass Wälder im Gegensatz zur städtischen Umgebung positiven Einfluss auf folgende psychische Zustände haben:
Natur hat aber nicht nur einen positiven Einfluss auf das Individuum, sondern auch auf soziale Beziehungen. In einem Experiment (Guéguen & Stefan 2016) konnte beobachtet werden, dass Menschen, die sich eine Zeitlang in einem städtischen Park aufgehalten haben, schneller und bereitwilliger anderen Passanten helfen als diejenigen, die gerade den Park betreten oder sich in städtischer Umgebung aufhalten.
Clayton & Myers (2015) belegen, dass Natur ein unterstützender Faktor für Selbstreflexion und Selbsterkenntnis darstellt.
Es ist nicht nur die Dauer oder die Häufigkeit des Aufenthalts in der Natur, die zu Wohlbefinden führt. Eine große Rolle zur Steigerung des Wohlbefindens spielt die emotionale Verbindung zur Natur. (Nature connectedness). Verbundenheit zur Natur steht gerade in den letzten Jahren zunehmend im Mittelpunkt der Forschung.
Wie entsteht Verbundenheit mit der Natur? Hier spielen frühere Erfahrungen eine Rolle. Nature Connectedness ist tendenziell höher bei Menschen, die frühere und positive Erfahrungen in Kindheit und Jugend mit der Natur haben (Hinds & Sparks 2008). Aber auch bei Menschen, die die sich häufig in der Natur aufhalten, steigt Verbundenheit mit der Natur.
Je höher die Verbundenheit mit der Natur, desto glücklicher
Korrelationsstudien haben gezeigt, dass Nature Connectedness mit eudaimonischem Wohlbefinden (Autonomie, Vitalität, Sinnerleben und persönliches Wachstum) verbunden ist (Cervinka et al. 2012). Aber hedonistischem Wohlbefinden (Stimmung, Verhältnis positive vs. Negative Emotionen) steht in Verbindung zu nature connectedness (Capaldi et al. 2014).
Je höher die Verbundenheit mit der Natur, desto mehr umweltfreundliches Verhalten
Jetzt wird es so richtig interessant: je höher die Verbundenheit mit der Natur, desto größer wird positive Einstellungen zu Themen des Natur- und Umweltschutzes. Und vor allem: desto häufiger verhalten sich Menschen umwelt- und klimagerecht. Dazu aber mehr in einem anderen Beitrag.
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