von Albert Glossner, 05. August 2024
Die „Blitzlicht Methode“ ist eine der ersten, die ich in den 1980er Jahren zunächst als Teilnehmer kennengelernt habe. Auch heutzutage ist sie eine der verbreitetsten Methoden in Training und Erwachsenenbildung. Oft erlebe ich aber, dass sie nicht genügend durchdacht eingesetzt wird. Dabei bieten gerade feine Nuancen im Einsatz dieser Methode vielfältige Möglichkeiten, auf die Kommunikation in einer Gruppe Einfluss zu nehmen.
Das „Blitzlicht“ hat sogar einen eigenen Eintrag bei Wikipedia – als eine der wenigen Methoden der Erwachsenenbildung. Bei Wikipedia ist zu lesen:
„Die Blitzlicht-Methode, teilweise auch Runde genannt, ist eine Methode, die in der Erwachsenenbildung zur Verbesserung der Kommunikation in Lerngruppen entwickelt wurde. Es kann entweder verwendet werden, um schnell eine Meinung zu einem Thema von jedem Unterrichtsteilnehmer zu bekommen, oder um eine kurze Zwischenevaluation durchzuführen.
Es kann zu Beginn, während oder am Ende einer Lerneinheit eingesetzt werden. Jeder Teilnehmer äußert sich reihum kurz in Form von einem bis zwei Sätzen zu der gestellten Frage (z.B.: Was gefällt mir bis jetzt?) Dabei sollte die Ich-Botschaft verwendet werden (z. B.: Ich finde es gut, dass wir über Theorie reden.). Alle anderen Teilnehmer sind während der Äußerung nur Zuhörer, es dürfen lediglich Verständnisfragen gestellt werden.
Hat jeder etwas gesagt, kann über die angesprochenen Probleme diskutiert werden und darüber, was man im Verlauf der Lerneinheit ändern kann.“
Zu alldem lässt sich noch sehr viel ergänzen ….
Die Blitzlicht Methode ist sehr wirksam, um die Kommunikation in einer Lerngruppe zu verbessern. Dadurch, dass jeder zu Wort kommt und sein Erleben im öffentlichen Raum der Gruppe teilen kann, entsteht eine gemeinsam geteilte Wirklichkeit. Dies hat häufig einen positiven Einfluss auf Stimmung und Atmosphäre in einer Gruppe. Manchmal werden auch bestehende Konflikte oder Unzufriedenheiten angesprochen. Aber auch dies hat meist eine klärende und erleichternde Wirkung auf die gesamte Gruppe.
Check-In: Damit starte ich bei mehrtägigen Trainings öfters den Tag. Meine Standardfrage dabei ist: „Was gibt’s von mir zu erzählen, ist noch etwas von gestern offen, wie ist mein Blick auf den heutigen Tag?“ Das ist bewusst sehr offen formuliert. Zielsetzung ist, dass jeder gehört wird und etwas sagen kann – eine gute Grundlage für die weitere Arbeit. Sollte eine Störung im Raum stehen, die den Lernprozess behindern könnte, kann sie so frühzeitig angesprochen werden.
Tagesende: Grundsätzlich finde ich gut, den Tag sowohl mit einer gemeinsamen Aktion zu starten, als auch zu beenden. Eine Feedbackrunde am Ende des Tages ist eine gute Möglichkeit für den Tagesabschluss. Je nach Situation nutze ich hier verschiedene Fragestellungen, z.B.: „Was war für mich das Wichtigste heute?“ (themenfokussiert) oder „Wie ist es mir heute ergangen?“ (erlebnisfokussiert) oder „Wie geht es mir jetzt am Ende des Tages – was beschäftigt mich noch?“ Je nach Fragestellung erhalte ich so Informationen über den Lernprozess der Teilnehmer*innen.
Zwischenfeedback: Bei fast jedem mehrtägigen Seminar führe ich ungefähr in der Mitte des Trainings ein Zwischenfeedback durch. Dafür plane ich tendenziell sogar mehr Zeit ein, als für das Abschlussfeedback. Ziel hier ist, Rückmeldung von den Teilnehmenden zu erhalten. Sollten im Zwischenfeedback Unzufriedenheiten auftauchen, habe ich zu diesem Zeitpunkt häufig noch die Gelegenheit entgegenzusteuern und Dinge anders zu machen oder einen anderen Schwerpunkt zu setzen. Hier arbeite ich in der Regel mit folgendem Frageset: „Wie ist es mir bislang ergangen? Was nehme ich mit? Welche Wünsche habe ich für die restliche Zeit?“ Meist bitte ich auch darum, sowohl positive als auch kritische Punkte anzusprechen.
Störungsblitzlicht: Manche Störungen im Training betreffen nur eine Person. Dann ist es häufig gut, ein Gespräch zu zweit zu führen, um zu klären was los ist und um ggf. eine Vereinbarung für die weitere Zusammenarbeit zu treffen. Manchmal sind aber Störungen im Raum, die mehrere Teilnehmer*innen oder die ganze Gruppe betreffen. Wahrnehmbar durch Anspannung, Zurückhaltung, ironische Kommentare oder gar Schweigen. Dann ist ein Blitzlicht mit der Frage „Wie geht es mir?“ oder „Was ist los?“ eine Möglichkeit, dass die Störung angesprochen und ggf. bearbeitet werden kann.
„Katastrophen“-Blitzlicht: Manchmal passieren im Training Dinge, die eine hohe emotionale Wirkung auf die Teilnehmenden haben. Die Auslöser können von außen kommen – so erinnere ich mich an einen Trainingstag nach dem Unglück von Fokushima. Oder eine Teilnehmerin erfährt, dass ein Elternteil im Sterben liegt und verlässt das Seminar. Manchmal passieren aber auch im Training Dinge, die eine starke emotionale Wirkung auf Teilnehmer*innen haben, z.B. wenn ein Teilnehmer oder eine Teilnehmerin das Training abbricht oder durch eine Übung oder ein Rollenspiel viel Emotionen im Spiel waren. Hier bietet ein Blitzlicht mit der einfachen Frage „Wie geht es mir jetzt?“ die Möglichkeit, alles auszusprechen, dadurch den Dingen ihren Raum zu geben, um danach wieder weiter arbeiten zu können.
Thematisches Blitzlicht: Auch als Einstieg in ein Thema eignet sich Blitzlicht. Zielsetzung hier ist, Vorwissen, Vorerfahrung oder Einstellung zu einem Thema abzufragen. Dementsprechend lauten die Fragestellungen: „Wann ist mir XY in der Praxis begegnet?“, „Was weiß ich schon über XY?“, „Wie ist meine Einstellung zu XY?“ oder so ähnlich.
Bilderblitzlicht: Hier lege ich eine Auswahl an Bildern (Bildkarten oder Postkarten) aus – verbunden mit der Aufgabe, eines auszuwählen, das persönlich anspricht. In der anschließenden Runde sprechen die Teilnehmer über das Bild und über sich. Dies ist eine Bitzlichtvariante, welche es für viele Menschen leicht macht, über sich zu sprechen. Eine ähnliche Variante ist eine Auswahl an Karten mit Satzanfängen oder Gegenständen.
Dialog-Runde: Dies ist streng genommen schon kein Blitzlicht mehr. Hier kündige ich an, dass ein Gegenstand (z.B. ein Gesprächsstein) zwei oder drei mal in der Runde kreist. Wer ihn hat, kann etwas sagen, muss aber nichts sagen. Diese stark ritualisierte Form des Austausches führt in der Regel zu einer Verlangsamung und einer Intensivierung des Zuhörens und damit zu einer tieferen Form des Austausches. Diese Gesprächsform ist aus der Dialog-Methode (nach David Bohm) entlehnt.
Die genaue Formulierung der Frage oder der Fragen, mit der ich die Blitzlicht Methode durchführe, ist natürlich entscheidend für die Wirkung. Dabei setze ich 1-3 Fragen ein (nicht mehr) und visualisiere diese auch in der Regel. Dies erhöht die Klarheit.
Gedanklich ist für mich die Orientierung an dem TZI-Dreieck (Thema, Gruppe, Ich) hilfreich bei der Formulierung der Fragen:
Gute Erfahrungen habe ich damit gemacht, bewusst darum zu bitten, sowohl positive als auch kritische Aspekte anzusprechen. Was mir persönlich am unangenehmsten ist, wenn ein Blitzlicht sich in sozial erwünschten Antworten erschöpft, also alles positiv ist und dennoch eine Anspannung wahrnehmbar ist. Da ist es mir bedeutend lieber, die kritischen Aspekte werden angesprochen. Das bedeutet nicht, dass manchmal auch alles gut sein darf.
NoGo-Fragen: Es gibt ein paar Fragen, die ich ungeeignet finde, so z.B.: „Wie war ich?“ (finde ich peinlich) oder „Wie fühlst du dich?“ (ist zu sehr auf Gefühl fokussiert, besser: „Wie ist es dir ergangen?“ weil offener). Die Frage „Wie wars?“ setze ich zwar manchmal ein, schäme mich aber immer gleichzeitig ein wenig, weil sie so allgemein ist.
Auch das ist eine Frage, die großen Einfluss auf die Wirkung der Methode hat. So gibt es zwei Möglichkeiten, die jeweils unterschiedlich wirken: entweder in der Reihenfolge des Sitzens oder durcheinander (Popkorn-Prinzip):
Der Nachteil ist allerdings, dass die ersten recht wenig Zeit haben zu überlegen. Deswegen finde ich die Kombination mit der Frage „Wer möchte beginnen?“ (ab da dann in einer Richtung) sinnvoll. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die ersten nur relativ sinnlose, sozial erwünschte und wenig durchdachte Antworten geben. Und da die ersten Beiträge häufig einen Einfluss auf die weiteren Beiträge haben, ist dies doppelt doof.
Manche Regeln sind nötig, ich bin aber kein Freund davon. So setze ich so wenig Regeln wie möglich ein:
Eine Diskussion danach kann sinnvoll sein, ist aber in meiner Praxis die absolute Ausnahme.
Die Blitzlichtmethode ist eine wirkungsvolle Technik, um Gedanken und Stimmungen in einer Gruppe sichtbar zu machen. Wie bei jeder Methode gibt es jedoch Herausforderungen, die den Ablauf stören können. Um sicherzustellen, dass die Methode effektiv bleibt und alle Teilnehmenden davon profitieren, ist es wichtig, diese Herausforderungen zu erkennen und ihnen gezielt zu begegnen. Im Folgenden stelle ich fünf Herausforderungen vor und zeige praktische Lösungen auf, um den Einsatz der Blitzlichtmethode zu optimieren und eine produktive Gruppendynamik zu fördern. Hier sind fünf Herausforderungen bei der Blitzlicht-Methode und Lösungen dafür:
Die Arbeit mit Gegenständen, also Ball oder Gesprächsstein beim Blitzlicht ist kein Muss, aber oft empfehlenswert. Dadurch wird einfach sehr klar, wer gerade dran ist – wer den Ball hat, hat das Wort. Insbesondere beim Ping-Pong-Prinzip ist dies ein fast notwendiges Mittel. Ein Ball sorgt automatisch dafür, dass erst gar keine Diskussionen entstehen, sondern die Struktur beibehalten wird.
Die Frage ist nur, welchen Gegenstand nutze ich dafür? Jeder Gegenstand hat eine bestimmte symbolische Aussage. Dies ist für die Qualität des Blitzlichtes zwar nicht entscheidend, hat aber durchaus eine atmosphärische Wirkung und damit Einfluss auf die Kommunikation in der Gruppe. In meiner Praxis setze ich drei Gegenstände ein (siehe Foto), die jeweils ihre Qualitäten und Einsatzmöglichkeiten haben:
Für die Blitzlicht Methode gibt es – je nach Anlass und Zielsetzung – vielfältige Einsatzmöglichkeiten. Mit folgenden Varianten habe ich als Trainer*in Einfluss auf die Wirkung dieser Methode:
In unserem Trainerausbildungs-Modul Gruppe und Team vertiefen wir die Anwendung der Blitzlicht Methode als Intervention in der Arbeit mit Gruppen.
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